POV-Figur und Erzählweise

POV-Figur und Erzählweise
Es geht hauptsächlich darum den Unterschied von POV-Figur und Erzählweise deutlich zu machen. Versuche ich es an P&P deutlich zu machen: die Geschichte wird von einer auktorialen Jane Austen erzählt, die aber die Figur der Elizabeth Bennet nutzt der die erzählte Geschichte widerfährt. Doch dieses »der die erzählte Geschichte widerfährt« bedeutet keineswegs, daß wir als Leser nichts erfahren, was außerhalb des Gesichtskreises E. Bennets geschieht. Doch wir erfahren es nur, wenn Elizabeth auf die eine oder andere Weise auch von der entsprechenden Grundtatsache erfährt. Deshalb ist für mich Elizabeth Bennet in P&P die POV-Figur. Erfährt Elizabeth Bennet vom Leben Charlotte Lucas als Ehefrau kann die Autorin natürlich hingehen und im kommentierenden Teil etwas darstellen, was Elizabeth Bennet nicht erfährt. Stillschweigend wird davon ausgegangen, daß sie dies auch weiß.
Ich finde das Bild der Flußlandschaft deswegen so brauchbar, weil diese Zusammenhänge sich damit recht gut verdeutlichen lassen. Der mainstream ist die Liebes- und partielle Lebensgeschichte Elizabeth Bennets. Mit der ersten Begegnung Elizabeths und Darcys beginnt die Geschichte Elizabeths, die mit der Hochzeit beider endet. Entlang dieses Flußlaufs ergeben sich Ereignisse, die wie Inseln im Strom liegen, die Elizabeth direkt betreffen. Der Besuch in Rosings, das Zusammentreffen in Netherfield etc. aber es gibt auch Knotenpunkte bei denen Elizabeth mit der Geschichte anderer Figuren in Berührung kommt und dadurch diese von der Autorin erzählt werden können, in einer Weise, die dem Leser die Informationen gibt wie sich etwas zugetragen hat, was von den Figuren gedacht wurde, und dabei gleichzeitig suggeriert, dies sei etwas, was Elizabeth auch wisse. Am deutlichsten macht man es sich vielleicht, wenn man an das Medium Film denkt. Jemand erzählt Elizabeth, daß Wigham und Lydia sich in London versteckt gehalten haben. Dann kann erzählt werden, wie Darcy sie dort gefunden hat, ohne daß dies Elizabeth im Dialog direkt erzählt wird, es ist eher so als sehe man jetzt die entsprechende Szene. Und dies ist der Punkt den ich mit Erzählweise gemeint hatte.
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit dem Episodencharakter jeder Geschichte umzugehen. Die eine besteht darin, eine Erzählfigur zu haben die auftritt und erzählt, was der eigentliche Inhalt der Geschichte ist. In diesem Fall kann auf die Vorgeschichte der Figuren verzichtet werden, da es nur um das Thema geht, um dessentwillen die Geschichte erzählt wird.
Im anderen Fall suggeriert der Autor dem Leser, er lasse ihn einen voyeuristischen Blick in das Leben der Figuren tun, dann will man auch die Vorgeschichte und nebensächliche Zusammenhänge erfahren, da es sich um eine Realitätssimulation handelt.
Wenn mir einer eine Geschichte erzählt, dann muß ich mich mit dem zufriedengeben, was er mir zu erzählen hat, noch dazu wenn ich den Erzähler nur als Figur eines Buches habe, ihn also nicht nach weiteren Einzelheiten befragen kann. Suggeriert mir der Erzähler aber, ich beobachtete durch seine Augen die Realität, kann ich erwarten, daß er meine Neugier befriedigt und mir auch das an der erzählten Realität schildert, was ich zum Verständnis der Geschichte benötige.
Im Märchen, also auch in fantasy-Romanen, sieht es so aus, daß ich als Leser weiß, daß es sich nicht um Realitätsabbildung handelt, folglich bin ich bereit, ganz andere Spielregeln gelten zu lassen. So stört es nicht, wenn in Lost in Austen Amanda Price plötzlich in Longford bei den Bennets Jane Austens auftaucht. Es stört erst, wenn Darcy den Roman findet und sich nicht Gedanken über die eigenartige Bindung des Buches macht und die Art der Schrifttypen etc.
Eine klassische Novelle bedarf der Vergangenheit nicht in gleichem Maße wie ein Roman. Dafür muß aber eine klassische Novelle - im Gegensatz zur Shortstory - ein begrenztes Thema haben, das durch die Handlung illustriert wird.

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