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Montag, 6. Dezember 2010

Schreibeinheit

Schreibeinheit
Zuerst einmal die wichtigste Frage nach der kleinsten Schreibeinheit. Hierüber gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, denn letztlich ist es eine Frage des persönlichen Wesens. Für mich wird sich vermutlich das Kapitel als kleinste Einheit ergeben. Das ist wichtig, da die Arbeitsstruktur der Gesamtarbeit in der Schreibeinheit wieder auftaucht. Deshalb gilt das folgende sowohl für die Gesamtgeschichte, wie für Teilgeschichten und einzelne Kapitel. Jede dieser Einheiten benötigt Thema, Erzählfigur, Primärereignis als Grundlage. Thema ist hierbei jener Inhalt der durch eine Erzählform transportiert werden soll. Die Erzählfigur ist nicht zu verwechseln mit der Erzählperspektive. Die Erzählfigur ist jene Figur die die Geschichte in ihrem Kopf hat, ist jene Figur einer Szene oder eines Kapitels von der wir erfahren könnten, was sich zugetragen hat, wäre sie real. Und was die Primärereignisse angeht, so sind dies alle Ereignisse, die einen status quo ante in eine Erzählbewegung setzen.
Eine Erzählung setzt sich aus unterschiedlichen Einheiten zusammen. Da haben wir zum einen die Haupthandlung und Nebenhandlungen, wir haben Plots. Die einzelnen Erzählstränge kann man sich als lineare Gebilde vorstellen, die von einem Primärereignis ausgehend zu einem Ziel/point führen und weitgehend durch ein Thema bestimmt werden. Plots sind Erzähleinheiten, die mit einem Primärereignis beginnen und die im Verlauf der Gesamtgeschichte enden.

Credo des Romanschreibens

Credo des Romanschreibens
Wichtig bei der Suche nach Geschichten für Romane scheint zu sein, daß in der ursprünglichen Idee ein Auslöser steckt der schnell vom Ausgangspunkt (sei es ein Artikel in einer Zeitung oder eine Nachricht im Fernsehen, ein gelesenes Buch oder ein persönliches Erlebnis etc.) fortführt und in einen eigenen Themenbereich mündet, der sich durch die Nebeninformationen der ursprünglichen Quelle der Idee weiter differenziert.
Wenn hier bereits ansatzweise das deutlich wird, was ich mit dem Begriff der nächsten Abstraktionsstufe bezeichne, um so besser. Hierbei handelt es sich um jenes verallgemeinernde, übergreifende Thema einer Geschichte, das deren Interpretation erst möglich macht. Eine Geschichte, die nur ihren eigentlichen Inhalt enthält kann man als erzählenden Bericht bezeichnen, es ist jedoch in keinem Fall ein Roman.
Habe ich eine Geschichte, die aus einer der oben genannten Quellen stammt, kann ich verfremdend beginnen nach einer völlig anderen Geschichte zu suchen. Wo dies nicht gelingt stehe ich mit leeren Händen dar. Habe ich aber den Anfang dieses Fadens, kann ich mich auf die Suche nach möglichen Assoziationen machen, die sich aus der Meldung oder der ursprünglichen Idee ergeben könnten.
Wichtig ist es das zu finden, was man den menschlichen Faktor einer Meldung nennen könnte, jene personenbezogenen Informationen, die auch für einen Journalisten der wichtigste Aspekt einer Meldung sein sollten, und im Fall der POLITIKEN und des Cs-Monitors in sehr vielen Fällen auch sind. Der Trick dabei besteht darin, die Person der Meldung als etwas besonderes zu sehen, ihr im weiteren Verlauf des Versuchs eine Schlüsselrolle zuzuweisen. Sie ist der Grund, daß diese Meldung überhaupt in der Zeitung steht. Warum aber ist die Person so wichtig. Läßt sich auf diese Frage eine Antwort geben, die als Thema formuliert werden kann, das durch diese Person repräsentiert wird, hat man einen sehr brauchbaren Hinweis in welche Richtung man sich wenden sollte um eine entsprechende Geschichte zu finden.
Einer der Internetautoren zum creative writing behauptet in jedem Roman ginge es im Grunde um die Beziehung eines Individuums zur Gesellschaft, also weitgehend zu seiner Umwelt. Der Gedanke hat sicher einen richtigen Kern. Ich würde ihn noch etwas allgemeiner formulieren. Da der Mensch ein komplementäres Wesen aus einem individuellen und einem kollektiven Aspekt seines Daseins ist, besteht immer die Möglichkeit, daß in der Repräsentanz dieses Umstandes ein Konflikt besteht, der als persönliche Geschichte der entsprechenden Figur angesehen werden kann. So hat man mit der Suche nach dem gesellschaftlichen Aspekt einer Meldung einen weiteren Hinweis, wo eine Geschichte versteckt sein mag.
Romane sind schriftliche Modelle fiktionalen Lebens. In Romanen handeln Figuren so, als handele es sich hierbei um die schriftliche Wiedergabe in einer Realität erlebter Ereignisse. Will man also einen Roman schreiben, braucht man zwei Elemente die Kreativität voraussetzen. Man muß in der Lage sein, Handlungszusammenhänge zu ersinnen, die eine innere Logik - eben kontextuelle Plausibilität - aufweisen, und man muß in der Lage sein, diese Handlungszusammenhänge in einem schriftlichen Text erlebbar zu machen, sie in fiktionale Realität zu übertragen.
Zwei kurze Bemerkungen zu den eben verwandten Begriffen. Leben ist ein normaler Prozess des Daseins. Etwas ist nur da, wenn es in die Bewußtwerdung des Lebens integriert wird, wenn es er-lebt wird. Der Bindestrich soll in diesem Zusammenhang jenen aktiven Vorgang deutlich machen, der bei uns Menschen die spezifische Art unseres Daseins und Lebens kennzeichnet. Erst wenn ich etwas in einem Sprachmodell im inneren Dialog kommunikativ gemacht habe, habe ich es wirklich er-lebt. Menschen er-leben ihr eigenes Leben durch die Darstellung und Rezeption ihrer realen Erfahrungen, weshalb sie auch in der Lage sind, sich fremdes Leben auf diese Weise anzueignen.
Da Leben ein komplexer Vorgang ist, ist das Er-leben der Lebensrealität so vielfältig und widersprüchlich, wie es nun einmal ist. Man sieht nicht nur was man tut, man hört auch entsprechende Geräusche, riecht und nimmt mit allen Sinnen Informationen auf, die mehr oder weniger gut durch Sprache er-lebt von einer zweiten Person als fiktives Nacherleben er-lebt werden können. Zudem reflektiert man über das so Er-lebte. All diese sprachlichen Modelle ergeben ein buntes Kaleidoskop, das im Roman in einer ausgedachten Weise dargestellt wird, als habe es in einem realen Dasein stattgefunden.
Da das, was in einem Roman den Eindruck der sprachlichen Schilderung realen Lebens erzeugen soll, in Wahrheit so nie stattgefunden hat, bedarf es zweier Fähigkeiten, die nicht wirklich lern- oder lehrbar sind. In dem angehenden Autor muß hierfür eine Fähigkeit angelegt sein, die entwickelt aber nicht erworben werden kann. Diese Fähigkeit habe ich mit dem Begriff Kreativität gemeint. Wer nicht in der Lage ist, etwas zu erschaffen was es vorher nicht gab, kann diese Fähigkeit nicht erlernen. Diese schöpferische Kreativität besteht beim Romanschreiben aus zwei unterschiedlichen Komponenten. Der angehende Autor muß zum einen Handlungszusammenhänge ersinnen können, die eine innere Logik besitzen, bei denen die Einzelteile jene kontextuelle Plausibilität besitzen, die Kennzeichen des realen Lebens ist. Doch reicht diese Fähigkeit nicht aus, um aus einer entsprechenden Vorstellung einen Roman zu machen. Erst wenn die Schilderung dieser Vorstellung er-lebbar dargestellt wird, wenn also das entsprechend geschilderte sprachliche Modell in seiner Struktur jenen Modellen real erfahrenen und er-lebten Daseins entspricht, hat man es bei dem Text mit einem Roman zu tun.
Hat man irgendwann ein weitgehend statisches Bild des Gesamtzusammenhangs der Geschichte gewonnen, geht es darum, diesen in Einzelteile zu zerlegen, die zuerst vom Autor erlebt werden müssen. Die also vor seinem geistigen Auge bewegte Bilder entstehen lassen, die sich in Worten schildern lassen um später im Leser zu entsprechenden Erlebnissen zu führen.

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